Mahnmal „Einschlüsse“ auf dem Roedeliusplatz erinnert an Opfer der Militärjustiz und der Stasi
Im Bezirk gibt es ein neues Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer sowjetischer Militärjustiz und der Stasi 1945-89 auf dem Roedeliusplatz in Lichtenberg.
Dieses Mahnmal des Künstlers Roland Fuhrmann ist jetzt fertiggestellt, sodass der Erinnerungs- und Gedenkort besichtigt werden kann. Das Kunstwerk „Einschlüsse“ zeigt vier abgeformte Zellentüren, die ineinander gekeilt und zusammengerückt sind. Sie stehen für jene vier umstehenden Gebäude am Roedeliusplatz, in deren Kerkern und Kellern Menschen eingeschlossen und willkürlich verurteilt wurden. Einschlüsse aus Okularen gewähren Einblicke in Einzelschicksale, wenn man durch sie schaut. Neugierige Passanten werden gedanklich eingeschlossen und verschmelzen für einen Moment mit dem Gedenkort.
Am Roedeliusplatz, in vier verschiedenen Gebäuden, befand sich nach Kriegsende 1945 das Hauptquartier des Sowjetischen Militärtribunals (SMT) der Sowjetischen Besatzungszone. In den Jahren 1945 bis 1955 wurden neben einer unbekannten Anzahl von Rotarmisten etwa 35 000 deutsche Zivilisten vom SMT verurteilt, davon etwa 1000 hingerichtet. Nach Übernahme der Gebäude durch die DDR-Justiz und die Staatssicherheit gab es dort bis 1989 etwa 10 000 weitere politisch motivierte, menschenrechtswidrige Urteile und Inhaftierungen.
Auf Anregung des Aufarbeitungsvereins Bürgerkomitee 15. Januar wurde im Mai 2020 vom Bezirksamt Lichtenberg ein Kunstwettbewerb für diesen Ort ausgelobt. Am 19. Februar 2021 empfahl das Preisgericht von zehn eingereichten Entwürfen einstimmig den Entwurf „Einschlüsse“ zur Realisierung.
„Das Mahnmal besteht aus Aluminiumguss und hat die Abmaße 2,20 mal 1,60 mal 0,80 Meter. Es enthält 50 Okulare mit Porträtfotos und Zitaten mit den jeweiligen Namen und Haftbiografien, verkleinert auf Mikrofilm, die als ‚Einschlüsse‘ in die Gussplastik eingelassen sind“, informiert Roland Fuhrmann. „Jedes vierte Okular zeigt ein Porträtfoto. Bei der Auswahl der Porträts wurde auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet. Außerdem sollte möglichst ein breiter Bevölkerungsquerschnitt verschiedener Berufe und sozialer Schichten gezeigt werden. Bei den zwischen 1945 und 1953 Hingerichteten wurde der Fokus auf besonders junge Opfer gelegt, da sich in dieser Altersgruppe die Todesurteile häuften. Bei den nach 1955 verhafteten politischen Häftlingen wurden Fotos gewählt, die sie im Lebensalter des Ereigniszeitraums zeigen.“
Die Idee des Gedenkorts funktioniere als soziale Plastik, so der Künstler weiter. Sie wird von Menschen umstanden, die in den Okularen lesen, den Opfern emotional nahe kommen und ihrer gedenken. Alle Zitate sind mit Quellenangaben versehen, sodass die Betrachtenden in den jeweiligen Büchern noch tiefer in die Biografien und die Geschichte eintauchen können. „Ohnehin kann dieser Gedenkort nur einen kleinen Ausschnitts des Leids der zigtausend Betroffenen abbilden. Aber seine Botschaften werden in den Köpfen der Menschen weiter getragen und werden sich in alle Richtungen verbreiten“, so Roland Fuhrmann.
Am Mahnmal ist außerdem eine Tafel mit folgender Widmung eingelassen: „Für Menschenwürde – gegen Diktatur. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etablierten die sowjetischen Streitkräfte hier am Roedeliusplatz ihre Militärgerichtsbarkeit, später übernommen vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Hier wurden 1945 bis 1989 hundertfach politisch motivierte Todes- und Hafturteile gesprochen. Daran erinnert dieser Denkort.“ Erstellt wurde dieser Widmungstext vom „Runden Tisch Roedeliusplatz“, initiiert vom Aufarbeitungsverein Bürgerkomitee 15. Januar .
Ausführliche Informationen zum Mahnmal finden sich auf rolandfuhrmann.de/work/einschluesse.